centrepin-teaser.jpgDieser Artikel erklärt die Grundbegriffe der Centrepin-Angelei. Er behandelt die wichtigsten Aspekte, wie die Einsatzmöglichkeiten einer Pin, die Vor- und Nachteile gegenüber einer Stationärrolle, die Wahl des richtigen Rollentyps, Kaufempfehlungen für Einsteiger und die besten Wurftechniken.

Das Angeln mit der Centrepin wird weltweit zunehmend populärer. Während in Großbritannien seit jeher viele Spezialisten mit diesem Rollentyp angeln, so bekommt das Posenfischen auf Steelhead mit der Centrepin in den USA und Kanada enormen Aufwind. Es scheint, als wäre es die willkommene Abwechslung für Fliegenfischer, die bisher dachten, sie seien am Ende der anglerischen Fahnenstange angekommen. In Deutschland ist das Angeln mit der Centrepin noch eine Randerscheinung. Nur wenige haben bisher den besonderen Reiz dieser Angelei zu schätzen gelernt. Doch zunehmende Anfragen an Classy Catchers zeigen, dass sich dies zu ändern scheint. Um dem interessierten Einsteiger nun die wichtigsten Fakten für einen erfolgreichen Start an die Hand zu gegeben, werden im Folgenden die wichtigsten Fragen beantwortet.

Was ist eine Centrepin?
Die Centrepin (auch Centre Pin, Centerpin, Center Pin oder kurz „Pin“) ist ein Rollentyp, den es bereits seit über 100 Jahren gibt und der sich bis heute kaum verändert hat. Der Aufbau ist einfach: Auf einer Rückplatte, die mit dem Rollenfuß verbunden ist, sitzt eine lange und stabile Achse. Auf dieser Achse läuft die Spule, das ist alles! Anders als bei einer Fliegenrolle, besitzt die Centrepin also keinen die Spule umschließenden Spulenkäfig.
Moderne Pins sind präzise Meisterwerke aus besten Materialien. Geringes Gewicht, hervorragender Lauf und lebenslange Haltbarkeit: Das sind die idealen Eigenschaften einer Centrepin!

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Moderne Centrepins sind nicht nur funktional sondern auch eine Augenweide!


Warum eine Centrepin?
In erster Linie möchte ich behaupten, dass das Angeln mit der Pin für den erfahrenen Angler eine Menge Spaß bringt und deshalb eine zusätzliche Bereicherung ist. Der Umgang mit diesem Rollenmodell bedarf einer gewissen Übung, wodurch es schon ein Erfolg und eine Freude ist, wenn man das Werfen richtig beherrscht. Zwischen Stationärrolle und Centrepin verhält es sich wie zwischen Gewehr und Bogen: Zwar schießt das Gewehr weiter und trifft präziser, aber das Bogenschießen macht einfach mehr Spaß! Es ist die Rückbesinnung auf das Wesentliche und die Beherrschung der Bewegungsabläufe, die hier den Reiz ausmachen. Beim Angeln mit der Centrepin darf man auch das ursprüngliche Drillerlebnis nicht außer Acht lassen. Während die Kraft des Fisches im Getriebe der Stationärrolle verpufft, so merken wir sie beim Pin-Angeln ganz deutlich in unserem Daumen, der nämlich die Spule im Drill ständig bremst.

Es gibt aber auch Situationen, wo die Centrepin der Stationärrolle überlegen ist. In erster Linie ist hier das Angeln mit der treibenden Pose im Fluss („Trotting“) zu nennen. Dabei ist es oft wichtig, die Pose leicht verzögert abtreiben zu lassen, da die Strömung an der Oberfläche schneller ist als in Grundnähe. Würden wir hier mit der Stationärrolle und offenem Bügel fischen, so würde die Pose schneller treiben als unser Köder. Sie zieht dann den Köder hinter sich her und lässt ihn unnatürlich aussehen. Es ist schwierig die Schnur leicht verzögert und ruckfrei von der Stationärrolle laufen zu lassen. Mit der Centrepin sind wir hier klar im Vorteil! Da die Spule einen weichen Lauf hat, beginnt sie durch den Zug der Strömung die Schnur kontinuierlich freizugeben. Aufgrund des Gewichtes der Spule hat sie aber eine gewisse Trägheit, wodurch die Freigabe mit einem leichten Widerstand erfolgt – die Schnur wird also leicht verzögert freigegeben.


Wo sind die Einsatzgebiete einer Centrepin?

Es wurde bereits deutlich, dass die Centrepin beim Trotten unschlagbar ist. Sie lässt sich aber auch in vielen anderen Situationen einsetzen. Kurz und knapp: Möchte man mehr Spaß beim Angeln und ist weites Werfen nicht nötig, dann kann die Pin zum Einsatz kommen!

Barben und Döbel

Beim Grundangeln (Legern) an kleinen bis mittelgroßen Flüssen kann man die Centrepin eigentlich immer einsetzen. Weite Würfe sind meistens überflüssig, da man nah am eigenen Ufer fischt. Ein einfacher unterhand Wallis Cast (zu Wurftechniken siehe weiter unten) und schon sind wir im Rennen.

Karpfen

Im Sommer halten sich Karpfen häufig in Ufernähe auf. Es ist ein Erlebnis sich anzuschleichen und den Köder nur wenige Meter vom Ufer zu präsentieren. Karpfendrills mit der Centrepin sind ein absolut brutales Erlebnis!

Hechte

Diese großen Räuber halten sich sehr oft in ufernahen Bereichen auf, wo es Schilf, Kraut oder versunkenes Geäst gibt. Köderfische an der Pose oder der Grundmontage lassen sich aufgrund ihres hohen Gewichts hervorragend mit der Centrepin werfen.

Schleppangeln

Beim Schleppangeln sind weite Würfe überflüssig, somit auch die Stationärrolle. Eine Centrepin mit einer starken Ratsche lässt sich hier ideal einsetzen.

Welche Centrepin ist die richtige?

Auf der Suche nach einer geeigneten Centrepin gibt es viele Fragen zu klären: Großer oder kleiner Spulendurchmesser? Breite oder schmale Spule? Mit oder ohne Ratsche? Gebraucht oder neu? Teuer oder billig?

Großer oder kleiner Spulendurchmesser?

Der Spulendurchmesser ist das wichtigste Kriterium einer Centrepin. Von ihm ist vor allem abhängig, wie groß die Einholgeschwindigkeit ist. Je größer die Spule, umso mehr Schnur wird pro Umdrehung eingeholt. Lässt man bspw. ständig seine Pose 40 Meter abtreiben und muss sie mit einer kleinen Pin einholen, dann weiß man, dass man die falsche Rolle am Wasser hat. Zum Trotten benutzt man deshalb große Rollen zwischen 4 und 5 Inch Durchmesser. Solche großen Trotting-Pins kann man auch zum Grundangeln verwenden und auch dort die Vorzüge des schnellen Einholens genießen. Da man aber seinen Köder oft längere Zeit liegen lässt, ist das nicht wirklich wichtig. Deshalb benutzt man beim Grundangeln oft kleinere Rollen zwischen 3 1/2 und 4 Inch Durchmesser, da sie wesentlich handlicher sind als die großen Pins.

Breite oder schmale Spule?

Eine breite Spule hat Vorteile beim Werfen, da die Schnur – insbesondere dünne Schnur - seltener von der Spule gleitet (vor allem bei starkem Seitenwind). Eine breite Ausführung macht die Spule aber auch schwerer. Beim Trotten bedeutet das, die Spule ist träger und die Verzögerung der Schnurfreigabe größer. Hier bestimmt es die Situation, was besser ist. Ich persönlich bevorzuge breite Spulen beim Grundangeln und schmale Spulen beim Trotten. Es ist aber in diesem Fall auch definitiv eine Frage des individuellen Geschmacks, welchen Spulentyp man favorisiert.

Mit oder ohne Ratsche?

Um Missverständnisse gleich zu Beginn auszuräumen: Die Ratsche ist keine Bremse! Gebremst wird immer mit den Fingern. Eine Ratsche braucht man immer dann, wenn die Schnur nicht von der Rolle laufen soll. Das ist der Fall, wenn man bspw. die Rute nimmt und die Stelle wechselt, quasi als „Transportsicherung“. Man braucht die Ratsche aber auch beim Grundangeln, wenn man die Rute auf einem Rutenständer ablegt. Hätte man hier keine Ratsche, so würde die Spule durch den Zug der Strömung leerlaufen, oder alleine schon durch den Wind in Rotation versetzt. Demnach sollte eine Ratsche immer zur Ausstattung gehören.

Gebraucht oder neu?

Da Centrepins schon seit über 100 Jahren gebaut werden, ist der Gebrauchtmarkt riesig und fast unüberschaubar. Es werden heute noch Rollen angeboten, die extrem gut zum Fischen wären und schon in den 1890er Jahren gebaut wurden (diese wären aber auch zu teuer und zu schade zum Fischen...). Da aber nur wenige von Euch auf diese alten Schätzchen stehen, werde ich nicht auf einzelne Rollenmodelle eingehen. Ich möchte nur die Kriterien ansprechen, die eine klassische Centrepin erfüllen sollte, damit der Gebrauchtkauf kein Fehlkauf wird: Die Rückwand und die Spule sollten nicht (oder nur  minimal) verzogen sein, da das zu einem unsauberen Lauf führt. Die Griffe (bei alten Rollen oft aus Holz, Elfenbein oder Horn) dürfen nicht eingerissen sein. Die meisten Rollen sind Speichenrollen, d.h., die beiden Spulenteile werden von Speichen zusammengehalten. Diese Speichen bilden den Spulenkern, auf dem die Schnur aufgewickelt wird. Wichtig ist hier, dass die Speichen zahlreich sind und möglichst nah am Spulenrand liegen (effektiver Spulendurchmesser).

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Der Klassiker schlechthin: Die Allcock Aerial Popular aus den 20er/30er Jahren. Zum Fischen (fast) zu schade.


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Wer neue Rollen in klassischem Design bevorzugt, der wird beim englischen Hersteller Chris Lythe fündig.


Teuer oder billig?
Auch hier gilt: „Qualität hat ihren Preis!“ Die meisten wirklich guten Centrepins kosten zwischen 250 und 400 Euro. Dieser Preis ergibt sich aus der hohen Fertigungsqualität (oft Handarbeit!) und der geringen Stückzahl. Es gibt in dieser Preisklasse einige Hersteller erstklassiger Centrepins aus Großbritannien, Kanada und den USA. Natürlich bieten auch einige etablierte Gerätehersteller Centrepins in dieser Preisklasse an, die qualitativ durchaus mithalten können. Hier ist es letztlich jedem selbst überlassen, ob er sich bei gleichem Preis für eine Rolle aus UK, CA den USA oder für ein Modell aus Fernost entscheidet. Möchte man eine sehr gute Rolle mit Sexappeal, dann sollte man sich folgende Hersteller einmal genauer ansehen: Kingpin, Chris Lythe, J.W. Young & Sons, Adcock Stanton, Ross Reels und John Milner Reels. Auch interessant und beim Angelgerätehändler um die Ecke zu bestellen sind die aktuellen Hardy Conquest Centrepins und die Martin Bowler Centrepin von Okuma. Wenn es billiger werden soll, dann kann man sich nach einem gebrauchten Exemplar aus dieser Liga umsehen. Der Preis liegt dann bei etwas über der Hälfte und die Rollen halten trotzdem ein leben lang.

Wie wirft man mit der Centrepin?

In den letzten hundert Jahren hatten die Angler viel Zeit, sich die unterschiedlichsten Wurfstile für die Centrepin zu überlegen. Als am effektivsten haben sich jedoch alle Wurftechniken herausgestellt, die auf dem klassischen „Wallis Cast“ aufbauen: Beim Unterhandwurf bringt man während des Schwungvorgangs durch Zug an der Schnur die Schnurtrommel in Rotation, wodurch Schnur freigegeben wird. Die Kunst liegt nun darin, die Schnur in der Geschwindigkeit von der Rolle laufen zu lassen, wie die fliegende Montage sie auch abzieht. Wäre die Rotation der Spule zu langsam (es wird zu wenig Schnur frei), dann wird der Wurf abgebremmst. Beschleunigt man die Spule zu schnell, wird zu viel Schnur freigegeben und es kommt zum Überlaufen der Schnur. Variationen des Wallis Cast sind bspw. der Spinning Side Cast (eine Mischung aus Wallis und Side Cast) oder der „Pull Cast“, der in den USA und Kanada sehr beliebt ist.


Aber man kann auch schon mit der Pin losziehen, bevor man diese recht kunstvollen Würfe beherrscht. Es gibt nämlich auch eine Wurftechnik, die nahezu keiner Übung bedarf: den Loop Cast. Hierbei zieht man einfach zwischen der Rolle und dem ersten Ring, dem ersten und dem zweiten Ring und wenn man es schafft, zwischen dem zweiten und dem dritten Ring jeweils eine Schnurschlaufe heraus, die jeweils mit einem Finger der linken Hand aufgenommen wird. Zieht man nun die linke Hand mit den Schlaufen in den Fingern einen Meter von der Rute weg, hat man insgesamt 6 Meter Schnur, die bei einem schwungvollen Unterhandwurf zur Verfügung stehen. Es gibt viele Situationen, wo dies völlig ausreichend ist, zumal die Strömung im Fluss den Köder noch weiter von uns wegtreibt. Mit dieser Technik können wir bspw. auch in dichter Ufervegetation unseren Köder anbieten, wo für den schwungvollen Wallis Cast kein ausreichender Platz vorhanden wäre. Unter folgendem Link gibt es ein kleines Video, wo der Loop Cast gezeigt wird (oberstes Video): www.floatsdown.com

Übung macht den Meister! Ich empfehle dringend, die ersten Übungen nicht beim Angeln zu machen! Es wird nämlich nicht auf Anhieb klappen und das versaut den Angeltag. Das ist frustrierend und führt vielleicht dazu, dass die Pin ihr künftiges Dasein in der Vitrine fristet. Also: Raus in den Garten, den Park oder auf den Sportplatz! Nach zwei Stunden Training hat man die Bewegungsabläufe verinnerlicht und kann sich ans Wasser trauen. Am besten geht man dann aber alleine, an einen Platz ohne Zuschauer. Selbst erfahrene Angler kommen sich nämlich bei den ersten Gehversuchen mit der Centrepin wie blutige Angelanfänger vor. Nicht jedes Ego verkraftet es, wenn man von seinen Mitanglern belächelt wird. Wenn das Werfen aber schließlich klappt und die ersten Fische ins Netz gleiten, dann bist Du derjenige der lächelt. Du hast nämlich das Angeln mit der Centrepin gemeistert und Dir eine der kunstvollsten Angeltechniken unserer Zeit erschlossen!


Von Wolfgang Kalweit