teaser.jpgDas Angeln mit der Centrepin übt einen ganz besonderen Reiz aus. Auch unser Mitglied Markus (alias Hexagraph) ist dieser Leidenschaft verfallen. Warum er die Centrepin lieben gelernt hat und worauf man als Pin-Anfänger achten sollte, beschreibt er nun in einem zweiteiligen Beitrag.



Mit den folgenden Zeilen möchte ich euch ein wenig an meinen ersten Gehversuchen mit der Centrepin teilhaben lassen. Vielleicht schaffe ich es ja, einige von Euch, die den Gedanken hegen es mit der Pin einmal zu versuchen, zum entscheidenden Schritt anzustiften? Dann nämlich hat sich dieser Artikel für mich mehr als gelohnt!
Es geht mir hier nicht darum, eine möglichst komplette Abhandlung zum Thema abzuliefern, denn auch ich bin ja noch Lernender. Stattdessen möchte ich in Teil 1 zunächst ein paar Grundgedanken zum Centrepinfischen zum Besten geben. In Teil 2 nehme ich euch dann mit ans Wasser und erzähle etwas über das Fischen mit der Pin in Stillgewässern.


Teil 1: Eine neue Sichtweise

Es war wieder mal einer dieser winterlichen Arbeitstage: Vor dem Laden Schneematsch und Ekelwetter und im Laden daher keine Kunden. Öd',öd',öd'...
Am Computer schleifte ich mich mal wieder durch die einschlägigen Angelseiten, Foren und Werbeauftritte der internationalen Tacklehersteller: Rodpods, Quietscher mit Funk / ohne Funk und Cordurataschen für die Klorollen. Herrje! Ach Gott, ach Gott! Das geht ja gar nicht! Taschen, Taschen, Taschen, Köder, Dips, und noch dazu das ganze schwere Campinggeraffel. Ich habe nicht einmal Lust es mehr aufzuzählen. Irgendwie fühlte ich mich seltsam taub bei der Betrachtung des eigentlich schönen und bis vor kurzen noch so begehrten Spielzeugs.

Ich hatte mich die letzten Jahre in Bezug auf Tackle dermaßen in die Höhe geschossen, so dass ein Wochenendtrip zum Wasser für mich zur Schwerstarbeit wurde und die Ladekapazität meines Kombis immer mehr an ihre Grenzen stieß.
Zudem kamen mir die begehrten „Carps“ inzwischen irgendwie einfach nur noch langweilig dick vor. Ein tiefes Verlangen nach Erleichterung, Entschleunigung und Befriedung meines Tacklewahnsinns keimte in mir auf.

Irgendwas stimmte nicht mit mir. Die ganze Begeisterung, ja vielmehr Besessenheit der letzten Jahre, mit möglichst aufwendigem und allerneustem Tackle und bis ins kleinste Detail verfeinerten Methoden und Montagen auf Karpfenjagd zu gehen, wich plötzlich einem einzigen Gedanken – ja vielmehr der plötzlich nahezu ungestümen Entscheidung: „Jetzt ist Schluss damit! Ich muss etwas ändern!“

Ich fühlte mich in einen neuen Raum versetzt, Gedanken fingen an zu kreisen: Wo ist die Angelei meiner Kindheit geblieben? Die Faszination am Wasser? Und wo die Freude an allen Fischen, mit dem Gefühl inmitten der Natur zu sein, als Teil von ihr und nicht als getarnter Camper mit schwergeschützigen Angelruten, der sich letztendlich nur mit der Karpfenkönigsklasse, den Superschwergewichten zufrieden gibt?
Nein, dies war kein Burnoutsyndrom, bei dem man einfach mal ein paar Wochen die Waage daheim lassen und ein paar Kurzsessions dazwischen schieben sollte. Auch mit Freunden mal wieder ins Kino gehen oder sich sonst wie auf Anderes besinnen würde hier nichts helfen. Das spürte ich ganz genau. Nein, es war eine Veränderung tief in mir: Ich wollte die Essenz des Angelns wiederfinden!

Ich musste die Schraube um mehrere Umdrehungen zurückdrehen. Plumpsangler werden? No! Nur noch Spazierengehen? Auf gar keinen Fall. Plötzlich erschienen schwarzweiße Bilder vor meinem inneren Auge, englische Gentlemen im Tweed-Sakko, in der Hand die gespließte Rute mit Nottingham Rolle und dabei mit demonstrativ heiterer Gelassenheit lässig an einem Baum lehnend. Da war doch was? Ich glaube hier geht's lang! Raus aus dem 5 Rip Easy Dome und „back to the roots“.

gentlemen-angler.jpg
Das waren noch Karpfenangler! Gut gekleidet und mit der Centrepin gut ausgerüstet.

Nun war es mit einem Mal klar, ich wollte es lernen mit der Centrepin zu fischen, obwohl ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht mal genau wusste, auf was ich mich da einlasse. Ich glaubte damals nur, dass man mit diesen wunderschönen und altmodischen Werkzeugen - unter Anwendung seltsamer Wurftechniken - vermutlich nicht vernünftig und weit werfen kann. Nach der Lektüre erster englischer Internetberichte schien mir aber das Spektakel eines gehakten Fisches an der Centrepin für all die Handicaps im Umgang mit der veralteten Technik zu entschädigen. Der erste Drill mit der Centrepin muss wohl ein unvergleichliches, spektakuläres Erlebnis sein...

Viele werden bei dem Gedanken an eine Centrepin sofort das Trotting und generell das Fischen im Fließgewässer im Kopf haben: Stick- oder Avonposen in romantischer Kulisse elegant vom Flussufer aus abtreiben lassen und gespannt die sich entfernende Pose mit Luchsaugen beobachten... Die Engländer räumen der Centrepinrolle jedoch ein deutlich breiteres Einsatzspektrum ein. Pins werden auf der Insel nämlich ebenso an stehenden Gewässern eingesetzt.

Ich begann alle möglichen Informationen, dank Internet, zum Thema aufzusaugen wie ein Schwamm. So wurde mir das bisherige Neuland „Centrepinfischen“ zumindest in der Theorie immer vertrauter, was meine Neugier auf die Praxis stetig steigerte.

Ich wusste, dass meine erste Pin ein Allroundmodell werden sollte, da ich mir selbst ja noch nicht sicher war, in welche Richtung mich mein Weg führen würde. Karpfenfischen mit der Pose an kleinen Weihern, klassisches Trotting auf Döbel und Rotaugen oder evtl. sogar Flussfischen ohne Pose auf Barben mit der vielbeschworenen Rollmethode von Ray Walton? Ich hatte bisher keine Ahnung, davon aber viel!

Grundsätzlich wollte ich eine Pin kaufen, die 1.) flexibel einsetzbar ist und 2.) auch den Kampf mit großen Fischen aufnehmen kann, denn wir wissen ja alle, welches Spektakel bereits ein wildgewordener 5-Pfünder veranstalten kann. Es sollte für mich daher auf jeden Fall eine Centrepin mit 4 bis 4,5 Zoll Durchmesser und einer Breite von ca. einem Zoll sein.

Ich entschied mich, nach intensiver Recherche und mehrfachen kritischen Blicken auf meinen Kontostand, letztendlich für die John Wilson Heritage von JW Young. Diese Rolle war offensichtlich nicht nur perfekt für meine Ansprüche ausgelegt, sondern sie befriedigte auch mein ästhetisches Empfinden mehr als ausreichend, wodurch der Preis von 220 britischen Pfund sofort bei Ankunft der Rolle vergessen war. Hach! Was für ein Schätzchen! Bisher schlug mein Herz ja nur für handgebaute Angelruten, die dazugehörigen Rollen waren für mich immer nur nötiges Beiwerk und konnten mich nie richtig begeistern. Hier war das jedoch anders, denn diese Rolle ließ mein Herz hüpfen.

youngs-heritage.jpg
Ein moderner Klassiker: Die John Wilson Heritage Centrepin von JW Young.


Ich hielt die mattgrüne Pin mit der edlen Beschriftung in meinen Händen, kurbelte vorsichtig die ersten Umdrehungen und lauschte dem regelmäßigen, satten Knattern der Knarre mit gespitzten Ohren – oh, wie wird das erst klingen wenn die Flucht eines Fisches abgefedert werden muss? Vorfreude ist ja bekanntlich die schönste Freude!

Um den Freilauf einzuschalten legte ich nun den an der Rückseite der Pin angebrachten Hebel mit einem Klick um, gab dann der Pin einen ersten Schubs und betrachtete völlig fassungslos den seidenweichen, lautlosen, fast reibungsfreien Lauf der Spule.
Sie lief und lief und lief - das war schlichtweg „lecker“, wie der Holländer sagen würde! Was für ein Instrument – Gänsehaut - ich war sofort verliebt! So, da musste sofort Schnur drauf. Ich folgte der Empfehlung eines englischen Pin Spezialisten und wählte den Schnurdurchmesser nicht zu dünn, um die kommenden Anfängerwurfübungen nicht unnötig zu verkomplizieren. Eine 20er bis 30er Schnur lässt sich doch erst mal anders handhaben als gleich zu Anfang ein 16er Kringelschnürchen. Man muss doch erst mal ein Gefühl für die Abläufe bekommen, da die Schnur bei der Pin ja von Hand abgezogen (alles Handarbeit - Jawohl!) und auch teilweise meterweise auf dem Boden abgelegt wird. Da sind so manche Irrungen und Wirrungen am Anfang ziemlich unvermeidlich und mit stärkerer Schnur deutlich besser zu bewältigen.

Auch für die ersten Drills war, aus Gesichtspunkten der Fischsicherheit, die stärkere Schnur sicher die richtige Wahl. In England wird bevorzugt eher eine kleine Menge Schnur auf die Rolle gespult, meist so zwischen 30 und maximal 80 Metern. Das macht man, um jegliches Einschneiden der Schnur zu vermeiden. Dieses Einschneiden kann nämlich den reibungslosen Ablauf der Schnur beim Treibenlassen der Pose behindern. Da ich bisher hunderte von Metern auf meinen Big Pit Rollen gewöhnt war, war es nun schon fast eine Überwindung, lediglich 50 Meter auf die Pin zu spulen. Meine Wahl fiel schließlich auf eine 27er Maxima, die ich mit einem einfachen Spulenknoten auf der Spule befestigte. Innerhalb kürzester Zeit hatte ich dann die nötigen Meter auf der Rolle. Hierzu noch ein kleiner Hinweis: Die Pin kann so bespult werden, dass die Schnur entweder oberhalb der Spule abläuft (am Blank) oder eben unterhalb der Spule (entfernt vom Blank). Soweit ich weiß, wählen die meisten Angler eher die zweite Variante, da man so die gewohnte Kurbelrichtung gegen den Uhrzeigersinn beibehalten kann. Das ist für mich ehrlich gesagt auch einleuchtender. Na ja, in Großbritannien ist ja dann doch alles immer ein wenig spezieller. Die meisten Centrepins können übrigens durch einfaches wenden sowohl als Rechts- als auch als Linkshandmodell verwendet werden. Die fehlende Bremse macht dies möglich, und die simple Ratsche ratscht eben auch prima in beide Richtungen.

Ein Satz noch zu den sog. „Lineguards“ (dt.: Schnurführung). Ich hatte am Anfang das Gefühl, dass ich eine Pin mit serienmäßigem Lineguard benötigen würde, um damit ein ungewolltes Abspringen der Schnur von der Spule zu vermeiden. Bereits nach der ersten Benutzung habe ich ihn jedoch abgeschraubt und somit zu völliger Nutzlosigkeit verdammt. Da er nämlich die normalerweise offene Spule teilweise abdeckt, ist er meiner Meinung nach sogar spätestens bei den fortgeschrittenen Würfen, wie dem Spinning Side Cast oder Wallis Cast eher störend. Die eingeschaltete Ratsche dient ja auch etwas als Bremse und verhindert das ungewollte ablaufen bzw. abspringen von Schnur problemlos. Grundsätzlich war ich über die relativ problemlose und praktische Handhabung doch eher erstaunt, da ich mit größeren Problemen gerechnet hatte. Mein Kopf spielte mir mal wieder einen der bekannten Streiche und verkomplizierte die einfachsten Vorgänge auf das Niveau von Hochenergiephysik.

Also Freunde, immer easy! Eine Pin ist ein sehr einfach gehaltenes, bewährtes und geradezu gutmütiges Werkzeug. Jeder, aber auch wirklich jeder, kann die nötigen Basics damit lernen.

In Teil 2 nehme ich euch mit ans Wasser und erzähle etwas über das Fischen mit der Pin in Stillgewässern.

Von Markus