teaser.gif-> Werbung <- "Wie ich den Fischen begegnete" von Ota Pavel ist zweifelsfrei eines der wertvollsten Bücher des 20. Jh. über die Angelfischerei. In höchster literarischer Qualität erzählt der Autor sein Leben - das Leben eines geborenen Anglers. 


Der tschechische Schriftsteller Ota Pavel wurde 1930 in Prag geboren. Seine Kindheit wurde vom 2. Weltkrieg überschattet, als sein jüdischer Vater und seine beiden Brüder in Konzentrationslager deportiert wurden. Glücklicherweise haben jedoch alle drei dieses Martyrium überlebt.

pavel_ota_ryby_brhugo.jpg
Reiche Beute: Ota (links) mit seinem Bruder Hugo

Ota, sein Vater und seine beiden Brüder waren zu Lebzeiten begeisterte Angler. Es war eine "Anglerfamilie" wie sie im Buche steht. Nahezu jeden freien Moment haben sie am Wasser verbracht und sich in schweren Zeiten danach gesehnt. An den schönsten, aber auch bittersten Momenten seines Anglerlebens lässt uns der Autor teilhaben. Dabei erzählt er meist in heiterer, naiver und äußerst detailreicher Manier, selbst wenn es um die tragischen Kapitel seines Lebens geht. Eben dieser besondere Erzählstil macht das Buch zu einer wahren Freude! An dieser Stelle zwei Beispiele.

Der Autor erinnert sich an seinen ersten Fisch, den er als kleiner Junge fing:

"Nun machte der Gänsekiel hopsa und verschwand. Aber ich konnte sehen, daß er unter der Oberfläche zu den Wasserlilien hinsauste. Ich haute an. Die Angelrute bog sich, und ich spürte zum ersten mal im Leben das wonnige Ziehen des Fisches. Nach einem mächtigen gegenseitigen Ringen erschien ein struppiges Maul. Es war ein Barsch, und er war so groß wie eine karierte rote Mütze, zudem noch olivgrün mit dunklen Streifen. Er trug seine roten Flossen wie ein Kampfbanner, und sein Rücken glich dem eines Stiers. Statt Augen hatte er goldene, lebendige Geldstücke, und aus seinem Rücken ragte ein struppiger Speer. Das war kein Fisch, das war ein Drache, ein gepanzerter Ritter mit einer roten Feder am Helm." (S. 18 f.)


Als Kind fängt der Autor einen großen Karpfen:

"Dann machte der Karpfen einen Fehler. Er steuerte in die kleine Ecke des Teiches, aus der er nicht mehr flüchten konnte. Ich packte die Angelrute, und der erschöpfte Karpfen legte sich auf die Seite und atmete schwer. Der Müller holte ihn mit der Kelle aus dem Wasser und warf ihn ins Boot. Am Ufer legte er ihn auf das herbstliche Gras. Nun konnte ich ihn mir in Ruhe anschauen. Er hatte Barthaare wie ein Wassermann, ihm fehlte nur noch das Pfeifchen. Und er hatte ganz eigene Augen, weise und bräunlich, sie kamen mir vor wie die verkleinerten Leiber von hausgebackenem Brot. Doch sonst war er golden wie ein Ferkelchen. Die Sonne war gerade im Untergehen, und das Gold schmolz an seinen Seiten, und es sah so aus, als weine es und wolle zurück in den heimatlichen Teich fließen.
[...]
Dann nahm er ihn auf die Arme wie einen Säugling und ging in die Mühle. Urplötzlich begriff ich, daß er ihn behalten wollte, und da ermannte ich mich zu einem einzigen Satz: "Herr Konièek, der Karpfen gehört mir." Er drehte sich um und sagte: "Für einen so großen Karpfen bist du viel zu klein." Damit ging er in den Hof hinein, und ich folgte ihm, nackt und weiß. Ich wollte den Karpfen nicht preisgeben, denn er gehörte nicht nur mir, sondern auch meinem Bruder Hugo, der ihn mit hausgebackenem Brot gefüttert hatte. Der Müller legte den Karpfen unter dem Schuppendach auf einen Klotz und ging fort. Ich nahm den Kopf des Karpfens in meine Hand und sagte: "Lieber Karpfen. Ich hätte nicht herkommen sollen." Dann kam der Müller mit einer Keule und einem Messer zurück. Er zermalmte dem Karpfen den Kopf und schnitt ihm die Kiemen durch, damit das Blut ausfließen konnte. Dann kratzte er die großen, goldenen Schuppen von seinem Körper. Sie spritzten nach allen Seiten, fielen wie Goldregen auf die Erde und blieben am Holz kleben, saugten sich an meinem nackten, mehlbestäubten Körper fest. Dann schnitt ihm der Müller den Bauch auf, und mein wertvolles, unverdautes und schmutzig gewordenes Brot fiel aus den Därmen heraus. Der Müller schob es mit dem Fuß den bettelnden Hühnern hin, und ich fing an zu weinen. " (S. 52 f.)


ota-pavel.jpg
Ota Pavel (* 2. Juli 1930 in Prag; † 31. März 1973 in Prag)

"Wie ich den Fischen begegnete" - Dieses fantastische Buch hat mir eine unbeschreibliche Freude bereitet! Es ist zweifelsfrei eines der wertvollsten Bücher über die Angelei, die jemals in deutscher Sprache zugänglich waren. Es verändert den Blick auf das Leben und zeigt, dass es die einfachen Dinge sind, die das Leben lebenswert machen. Im Falle des Autors waren es die Fische und seine Familie. Er erkannte dies Ende der 60er Jahre, nachdem er eine schwere manisch-depressive Psychose überstanden hatte:

"Als es mir besser ging, dachte ich an das, was in meinem Leben am schönsten gewesen war. Ich dachte nicht an die Liebe, auch nicht daran, wie ich mich auf der Welt herumgetrieben hatte. Ich dachte nicht an nächtliche Flüge übers Meer und Ozeane, auch nicht daran, wie ich Eishockey im Prager Spartaklub gespielt hatte. Ich ging wieder zu den Fischen an Bäche, Flüsse, Teiche und Talsperren und erkannte, daß gerade das, was ich dort erlebt hatte, das Schönste auf der Welt war." (S. 148)


Ota Pavel verstarb 1973 im Alter von nur 42 Jahren an einem Herzinfarkt.

Von Wolfgang Kalweit





 

Normal 0 21


Pavel, Ota (2005): Wie ich den Fischen begegnete. Phileas Verlag, Berlin. ISBN 3-00-015728-X

 

Webseite des Verlags: www.phileas-verlag.de